06.10.2018
Der lebendige Hundeblick
(sy) Das Bellen der Hunde wird mir noch lange im Ohr klingen. "Die Hundegrenze" ist ein politisches Puppenstück - oder einfach nur spannendes, lebendiges Theater mit einer großen Portion Erkenntnisgewinn.
Wer agiert auf der Bühne? Die beiden Schauspieler Christian Georg Fuchs, der auch für die Inszenierung verantwortlich ist, und Ronald Mernitz, beide auch als Hundeführer. Die Hunde sind Puppen: geschnitzte Köpfe aus Holz und ein "ganzer" Hund, der auf raffinierte Weise sehr differenziert geführt werden kann.
Doch weshalb rückt der Inhalt plötzlich zurück, warum erzähle ich von den Hunden? Vielleicht ist das der inszenatorische Trick, mit dem der Zuschauer in den Bann gezogen wird.
Wir hören die tragische Geschichte von Hunden, die an der innerdeutschen Grenze ihren würdelosen Dienst verrichten müssen. Sie sollen bewachen, den Grenzübertritt verhindern, abschrecken. Aber in Wahrheit sind es geschundene, ausgebeutete Kreaturen. Das Futter wird ihnen grob vorgeworfen, der Durst ist im Sommer Dauerzustand. Wer nicht funktioniert, wird vom Tierarzt eingeschläfert. Wer freundlich ist, wer verspielt auf die Welt reagiert, wird aussortiert. Das ängstliche, bissige Tier ist am geeignetsten.
Ist das eine schlimme Parallele zur Menschenwelt? Vielleicht. Die Inszenierung vermeidet jede symbolische Aufladung. Sie tritt nüchtern auf, will nicht missionieren - und ist dadurch noch intensiver.
Nachbemerkung: Mögen Sie Hunde? Wissen Sie, wie sich Hunde bewegen? Selbst für den geschulten Hundekennerblick gelang die Illusion durch die beiden Schauspieler. Auf der Tischbühne stand kein gebautes Hundemodell, keine ausgeklügelte Mechanik, sondern ein Lebewesen: Wenn diese Hunde den Kopf schräg legten, ihrem Herrn zuhörten, sich die Leine anlegen ließen, dann hätte ich schwören mögen, dass sie keine Puppen sind. Dieses Doppelgefühl war der Eingang zu meinem Zuschauerinnenleben.
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