27.10.2012

NIE WIEDER PEKINGENTE süß-sauer!

Der Festivalbeitrag des „theater der stadt“ Gotha geht direkt und ohne Umwege ins Herz. Die Inszenierung „Ente, Tod und Tulpe“ in der Fassung von Nora Dirisamer, die eigentlich für kleine Theaterbesucher ab 6 Jahren gedacht ist, ist auch für jeden großen Zuschauer mehr als lohnenswert. Sie nähert sich den schweren und eher düsteren Fragestellungen rund um das Thema Tod und Sterben auf einfühlsame, kindgerechte und poetische Weise. 

Nach dem gleichnamigen Kinderbilderbuch von Wolf Erlbruch durfte ich hier eine Inszenierung erleben, die es schafft, die wunderbare Vorlage vielseitig und bunt in Szene zu setzen – und das mit einfachsten Mitteln. 

Die beiden Schauspielerinnen füllen ihre Rollen überzeugend und detailreich aus. Elisa Oehme überzeugt als herrlich naive und plitschpatschige Ente, sowohl beim Gründeln und Balzen, als auch, wenn sie durch ihre neugierigen Fragen langsam immer weiter in die Thematik vordringt. 

Nur schwer kann sie sich an den Gedanken gewöhnen, dass der Tod nur die letzte einer langen Reihe von Veränderungen im Leben ist. Am Ende jedoch kann sie gehen, ohne sich zu fürchten. 



Daniela Rockstuhl mimt den distanziert-kühlen, aber doch liebenswerten Tod, den die Ente mit ihrer Lebensfreude und –energie, ihren Ideen und Fragen und nicht zuletzt mit ihrer Herzenswärme einnimmt. 

Als Zuschauer werde ich Zeuge beim Entstehen einer zarten Freundschaft, in der der Tod vom Nicht- zum  Doch-Schwimmer wird und sich nach dem Schlafen sogar wie neugeboren fühlt. Ich erlebe das Aufgehen eines neuen Sternzeichens, der „Kleinen Ente“, entwickele eine gesunde Abneigung gegen Füchse, eine Vorliebe für Würmer und werde sicherlich nie wieder guten Gewissens Pekingente süß-sauer essen können.
Das Bühnenbild ist minimalistisch, ein einzelner Koffer wird zum Teich, zum Baum, zur Kinoleinwand, … Regisseur Willi Wittig hat es mit seinem kleinen Ensemble geschafft, eine dichte Inszenierung zu erarbeiten, in der keine Langeweile aufkommt, eine Inszenierung, die trotz ihrer Poesie und Lebensfreude nicht versucht, das Thema zu beschönigen oder um den Teich…äh…Brei herumzureden. 

Und genau dadurch trifft sie einen Nerv bei mir. Ich ertappe mich dabei, wie ich mir die Fragen der Ente selbst zu beantworten versuche und obwohl ich nicht die einzige bin, die am Ende gerührt und still ein Tränchen verdrückt, ist doch alles nur halb so schlimm. 
 
Denn nicht nur der Tod wird sich immer an dich erinnern, kleine Ente, auch ich werde das gerne tun!

Jule Hahn / Fotos Bernd Seydel