So erfrischend kann griechische Mythologie sein, wenn sie für mehr als 250 Kinder und Figurentheater aufbereitet wird – doch auch für Erwachsene bieten sich herzlich naive Einsichten in die Unterwelt.
(A.F.) Gleich zu Beginn macht Andreas
Mihan klar, wie hier die Rollenverteilung ist. Als Zivilperson stolpert er auf
die Bühne und wundert sich über die Zuschauer. Als Schauspieler ist er Erzähler,
erst als er einen Pappmaché-Helm aufsetzt, wird er Orpheus. So wechselt er für
die Kinder gut ersichtlich zwischen den Rollen und Ebenen der Erzählung. Es
gelingt, die Figuren auch ohne spezielle Illusionstechniken wirksam spielen zu
lassen, egal ob es sich um Sisyphus, eine Papierpuppe, die sprechenden Laternen
Hades und Persephone oder um den Kerberos aus Schreibtischlampen handelt. Die
Wechsel sind klar abgegrenzt, was wichtig ist, da er alle Rollen spielt.
Mit einfachen Mitteln erzählt er so
den Orpheus-Mythos: Die Kulissen sind aus Pappmaché (aber sehr schönes), und
auch die Beleuchtung wechselt lediglich zwischen blau und rot.
Einziges Manko ist hier
vielleicht der Gesang des Sängerhelden. Mihan erreicht durch den gekonnten
Einsatz einer Loop-Station einen mehrstimmig-bluesigen Klang, der fantastisch
dem Mythos des grandiosen Sängers gerecht wird - die Intonation wird es nicht.
Spannend auch für Erwachsene ist
das andauernde Spiel mit dem zum großen Teil aus Kindern bestehenden Publikum. Während einige die Fiktion direkt verstehen: „Deswegen heißt es ja
Handpuppentheater“, steigen viele vollkommen in die Geschichte mit ein. Ob sich
Orpheus umdrehen soll? Da ist sich das Publikum nicht ganz einig. Zunächst
scheint es ausgemachte Sache: „Dreh dich um“, schreit es aus 250 Kindermündern.
Als dann jedoch klar wird, dass das wirklich Eurydikes Tod bedeutet, ändert
sich die Meinung schnell und lautstark. Orpheus dreht sich trotzdem um.
Daraufhin beschließt er, nie wieder zu singen. Gut dass das Publikum ihn doch
umstimmen kann. Happy End für Kinder in der
griechischen Tragödie.