05.10.2018

Dreh dich (nicht) um! – „Orpheus“ in der Kinderwelt



So erfrischend kann griechische Mythologie sein, wenn sie für mehr als 250 Kinder und Figurentheater aufbereitet wird – doch auch für Erwachsene bieten sich herzlich naive Einsichten in die Unterwelt. 

(A.F.) Gleich zu Beginn macht Andreas Mihan klar, wie hier die Rollenverteilung ist. Als Zivilperson stolpert er auf die Bühne und wundert sich über die Zuschauer. Als Schauspieler ist er Erzähler, erst als er einen Pappmaché-Helm aufsetzt, wird er Orpheus. So wechselt er für die Kinder gut ersichtlich zwischen den Rollen und Ebenen der Erzählung. Es gelingt, die Figuren auch ohne spezielle Illusionstechniken wirksam spielen zu lassen, egal ob es sich um Sisyphus, eine Papierpuppe, die sprechenden Laternen Hades und Persephone oder um den Kerberos aus Schreibtischlampen handelt. Die Wechsel sind klar abgegrenzt, was wichtig ist, da er alle Rollen spielt.

Mit einfachen Mitteln erzählt er so den Orpheus-Mythos: Die Kulissen sind aus Pappmaché (aber sehr schönes), und auch die Beleuchtung wechselt lediglich zwischen blau und rot.

Einziges Manko ist hier vielleicht der Gesang des Sängerhelden. Mihan erreicht durch den gekonnten Einsatz einer Loop-Station einen mehrstimmig-bluesigen Klang, der fantastisch dem Mythos des grandiosen Sängers gerecht wird - die Intonation wird es nicht.

Spannend auch für Erwachsene ist das andauernde Spiel mit dem zum großen Teil aus Kindern bestehenden Publikum. Während einige die Fiktion direkt verstehen: „Deswegen heißt es ja Handpuppentheater“, steigen viele vollkommen in die Geschichte mit ein. Ob sich Orpheus umdrehen soll? Da ist sich das Publikum nicht ganz einig. Zunächst scheint es ausgemachte Sache: „Dreh dich um“, schreit es aus 250 Kindermündern. Als dann jedoch klar wird, dass das wirklich Eurydikes Tod bedeutet, ändert sich die Meinung schnell und lautstark. Orpheus dreht sich trotzdem um. Daraufhin beschließt er, nie wieder zu singen. Gut dass das Publikum ihn doch umstimmen kann. Happy End für Kinder in der griechischen Tragödie.