Auf dem Festivalprogramm steht „Oberstübchen“. Im „Oberstübchen“
soll das theater der stadt aus Gotha ihre Inszenierung „UND DAS SO KURZ VOR DEM
FEST“ zeigen. „Wo ist denn das? Das Oberstübchen?“, werde ich gefragt. „Ganz
oben. So ganz viele Treppen“, antworte ich.
Im Gänsemarsch laufen wir die vielen Stufen hoch, ganz eng ist der Gang. Aber noch kuscheliger wird es im Zuschauerbereich des Oberstübchens. Dicht an dicht sitzen wir in einem schmalen, aber langen Raum. Nur fünf Sitze haben nebeneinander Platz, es fühlt sich an, als säße man bei der Nachbarin auf dem Schoß.
Es beginnt. Ein Erzähler mit Cowboyhut und Hawaiihemd legt
mit seinem Text los. Er zitiert Kindergeschichten, -reime und -lieder. Es reimt
sich. Und er hat ein Riesenbilderbuch. Aber irgendwo hinter den schwarzen
Wänden des Guckkastens dringt noch eine zweite Stimme nach vorn. Nach dem
ersten Umblättern einer riesigen Buchseite lüftet sich das Geheimnis. Ein zweiter
Spieler taucht auf. Mit Puppe.
Die beiden Puppenspieler erzählen dem Publikum die Geschichte eines Fremden, der in das schöne Dörfchen Bleibheim flüchtet, vom Sturm getrieben dort ein neues Zuhause finden möchte.
In spannender Weise übersetzen die Spieler in ihrer
Erzählung und durch die Puppen kindgerecht, was Fremdheit bedeutet und wie
Ausgrenzung und Behördenwahn aussehen kann. Denn ein Fremder hat es nicht
leicht in Bleibheim, wenn er zunächst von einer Polizeischildkröte aufgegriffen
wird, die ihm nicht einmal das Gefängnis als Unterschlupf gewährt. Die Geschichte
steigerte sich mit jeder sprachgestörten, überbürokratischen und
hysterischen Figur die dazu kam. Das Puppenspielhandwerk der Spieler war gelernt:
Die Figuren waren lebendig, die Sprachbesonderheiten der Charaktere wurden bis
zum Ende durchgezogen, und Spieler und Puppe wurden eins im Spiel.
Das Publikum lachte. Wir waren beeindruckt.
Imke Bachmann