14.06.2014

KAMELIONS, ja man, Bruder

Das Stereotyp Migrant wird hier voll ausgeschöpft. Der Topf wird von Alkohol, Drogen, Spraydosen, Rap, Kräftemessen und vor allem durch die Sprache so geleert, dass wir ihm auf den Grund sehen können.

Die vier Jungs der theaterperipherie Frankfurt am Main entblößen sich und machen sich erschreckend angreifbar. Ich war zunächst völlig entsetzt, hier Machos und Proleten auf der Bühne zu sehen, die sich mit Sprüchen wie "Ey man, geh Knäckebrot trinken" und "Isch bin aus Muschi heraus gekommen, damit isch schneller wieder herein komme" gegenseitig aufheizen und sich gleichzeitig hinter ihren Fassaden verstecken.
Aber ja, das hier soll keine Abbildung sein, kein "Mitten im Leben". Es ist eine krasse Auseinandersetzung mit Erfahrungen und Erlebnissen. Wenn die vier Spieler die Rolle von Eltern übernehmen, sind ihre Haltungen dabei so stark, ihre Sprache eine ganz andere und Ticks so ausformuliert, dass ich autobiografisches Material erahne.
Als Zuschauer wandele ich in der anderen Kultur mit, der Stellung von Familie und Freunden, die Verantwortungen, die damit einhergehen, und die Probleme. Ich mache Entwicklungen und Rückschritte mit, allein durch die Erzählung. Wenn die Gemüter auf der Bühne hochkochen, ist das für mich sehr privat. Ich bin hier der Voyeur. Aber es ist erlaubt zuzusehen. Ich bin im Theater.
Was ich an dieser Gruppe erfrischend finde, ist Folgendes: Sie will nicht interkulturell sein oder Integration thematisieren. Sie verleugnet keineswegs ihre Kultur, sondern treibt diese auf die Spitze und macht sie angreifbar. Und zuletzt: Migranten werden von Migranten gespielt. Ein Beitrag zur Blackfacing-Dabatte und äääh dings.
Imke Bachmann