15.06.2014

CHIRPY CHIRPY CHEEP CHEEP

Die Gesellschaftskritik tanzt farbenfroh

Die arme Jeannie wird von ihrer Schwester und einer Pflegerin in ein steriles weißes Zimmer mit Tisch, Stühlen und einem weißen Bett gebracht. Hier soll sie erst einmal bleiben. Und wir auch. Das Stück beginnt wie ein klassisches Schauspiel, doch dann bricht von rechts aus dem Vorhang die geballte Ladung Musik heraus. Mit einem gewaltigen, begeisternden Stimmorgan präsentiert sich Marie Klukas in der Rolle von Jeannies imaginärer Freundin Brenda dem Publikum. Auch wenn andere Sänger nicht gleichsam stimmstark sind, machen deren Schauspiel und die Körperpräsenz dies wieder wett. Mit ihren Songs und Kostümen bringen Jeannies imaginäre Freunde nun auch die Farbe der 60er und 70er auf die Bühne.


Die Charaktere sind derart überzeichnet, dass sie mich provozieren: Die Therapeutin zeigt sich mit einem aufgesetzten Lächeln, macht bei jeder noch so geringen Regung oder Nicht-Regung der Patientin akribisch Notizen und wirkt selbst psychisch krank. Eine Sozialarbeiterin scheint alle Probleme der Welt durch Medikamente lösen zu können. Weisen diese Rollen auf die Probleme von psychotherapeutischen Einrichtungen in der Gegenwart hin, oder sind diese Charaktere aufgrund ihres Witzes so gestaltet? Denn ich muss lachen, ständig. Jedes Mal, wenn Frau Dr. Fritsche Daumen und Zeigefinger zu ihrer Nase führt. Für eine Komödie ist Spaß ja auch eine Bewertungskategorie.




Mich stören jedoch die unzähligen Blacks und die Vielzahl an Auf- und Abgängen. Sicherlich sind sie für einige der komischen Momente wichtig und erheiternd, aber ihre Quantität liegt mir schwer im Magen. Trotzdem verweisen sie auf eine intensive Probenphase, denn Gänge und Übergänge, Tänze und plötzliche emotionale Wendungen sind genau und durch diese Genauigkeit wirkungsvoll. Vor allem das Ende, das so pathetisch daher kommt und die volle Tragik des Todes der Mutter auskostet, wird überraschend durch den Song "Where's your mama gone" wunderschön gebrochen.
Imke Bachmann