Darauf war ich gespannt: Die zweite Preisnominierung in der
Präsentation, "Der nackte Wahnsinn" von Michael Frayn, ist eine
temporeiche Komödie, die den Theaterbetrieb gleichsam von hinten aufbohrt: Eine
mittelmäßige Schauspieltruppe versucht, eine Boulevardkomödie zu spielen, und
nichts klappt - am Vorabend der Premiere! Unfähigkeit, Eitelkeiten, Intrigen,
Eifer- und Trunksucht hinter den Kulissen, der Regisseur hat gleich mehrere
Affairen parallel im Ensemble laufen, so dass nur katastrophales Scheitern unausweichlich
scheint - und auch folgerichtig eintreten wird. So weit der Plot.
Also Theater im Theater im Theater - eine Präziose für eine
Theatergruppe, die ihr Handwerk versteht, und insbesondere eine Steilvorlage für
ein Amateurensemble, das mit den Künstlerallüren an professionellen Bühnen
wenig am Hut hat.
Das TAM versteht sich genau so und hat diese Herausforderung
mit Erfolg angepackt. Beherzt wurden dabei die ursprünglich drei Akte auf zwei
eingedampft.
Um das Beste vorweg zu nehmen: Im zweiten Teil nach der
Pause geht wirklich der totale Wahnsinn ab, Slapstick pur, private wie
theatralische Kalamitäten, wohin das Auge des Zuschauers auch voll des
lustvollen Ergötzens wandert. Angereichert noch um aktuelle Anspielungen der
unterschiedlichsten Art. Herausragend von seinem ersten Auftritt an Timo
Bamberger, der genial bis in die kleinsten Details den geistreichen Alkoholiker
Selsdon verkörpert, der seinerseits im Stück im Stücke den cleveren Einbrecher
zu spielen hat. Die blutjunge Antonia Holl gibt die beunruhigend laszive Diva
Brooke mit viel Mut zum Kontakt (bis in die ebensolchen Linsen hinein). Sie
schlingt sich mit einer phänomenal mondänen Verruchtheit und röhrender
Altstimme an ihre Bühnenpartner, wobei die Differenzierung zwischen der Rolle
und der Rolle in der Rolle vor allem in der Person des Angeschmachteten zum
Ausdruck kommt - wahlweise ihr Bühnenpartner oder der Regisseur. Esther
Hilsemer als Regieassistentin Poppy und Konkurrentin um die Gunst des
Regisseurs Lloyd dreht entsprechend mit auf, dabei gelingen ihr herzerfrischend
absurde Parodien weiblichen Balzverhaltens mit zauberhaft entgleisenden
Catwalks. Spielfreude, rasante Action, Mut zum Körpereinsatz und nicht zuletzt
auch eine prickelnde Koordinationsleistung begeisterten, vor allem im Teil nach
der Pause. Sebastian Danz als Regisseur Lloyd erspielte sich einen verdienten
Lacher durch das selbstmitleidig-katatonische Abspulen einer langen Liste
eigener Inszenierungspannen in Nonstop-Hyperschnellsprechmodus.
Aber es bleiben auch gewichtige Wermutstropfen. Mich enttäuschte,
dass den meisten Spielern nicht die erforderliche Differenzierung zwischen
einer glaubhaft wirkenden Person des (gespielten) Schauspielers und der von
diesem auf der Bühne gemimten Rolle gelang.
Da lief zu viel auf einer
einheitlich überkandidelten Ebene. Die Gefahr, beides "overacted" zu
bringen, ist natürlich groß. Der eine Darsteller, der beides voneinander
absetzte, überzog aber gerade die Schauspielerperson mit einer derartigen
Grenzdebilität, dass die in gewollt schlechtem Spiel gebrachte Obermackerpose
der Rolle in der Rolle so gar nicht ginge. Schade, hier wäre weniger meist mehr
gewesen. Gleiches gilt auch für das unmotivierte, wilde Händegefuchtel einiger
der Darstellerinnen, was dann Nervosität oder Angst vor ätzend-zynischer
Zurechtweisung des Regisseurs illustrieren sollte. Das geht glaubwürdiger.
Zugute halten muss man dem Ensemble, dass einige Rollen erst
vor ganz kurzer Zeit neu hatten besetzt werden müssen. Naja, das Wenden der Kulisse habe ich in einer Schüleraufführung
in Ilmenau letztes Jahr übrigens schon konsequenter gesehen.
Fazit: Sehr lebendige Umsetzung einer klassischen Komödie
mit Highlights und kleinen Abstrichen.
Kay Gürtzig / Fotos Dr. Bernd Seydel